Archiv der Kategorie: Theaterkritik

Die erste Gestalt der Hoffnung ist die Furcht – Heiner Müller

zum 20. Todestag / 87. Geburtstag des Dramatikers »Die erste Gestalt der Hoffnung ist die Furcht – Heiner Müller« Die erste Gestalt der Hoffnung ist die Furcht – Heiner Müller. Essay von Stefan Kanis. Sprecher: Franka Anne Kahl und Torben … Weiterlesen

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Auf jeden Künstler kommt ein Flüchtender

Anmerkung Die interventionistische Flanke der Kunstschaffenden weiß gar nicht, wie sie das alles verarbeiten soll. Diese ganze Jetztzeit. Die absolute Gegenwart. Die vielen Flüchtenden. So schnell können Konzepte gar nicht mehr geschrieben, Projekte beantragt und Teams zusammengestellt werden. Dabei sollte … Weiterlesen

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Wie das Theater dem Kapital zuspielt

Der Dramaturg Bernd Stegemann analysiert einen Frontenwechsel. Eine Sendung von Stefan Kanis. Wie das Theater dem Kapital zuspielt Mit: Franka Anna Kahl und Michael Pempelforth. Schnitt: Hans-Peter Ruhnert. Ton: André Lüer. Regie: Stefan Kanis (Ursendung: MDR FIGARO, 28.03.2015 | 26’10) … Weiterlesen

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Mal sehen, was noch kommt

: Go Plastic – Moderne „Alice“ im blassen Spiegel :
Alice hat es gut. Jeder Schritt, den sie tut, führt sie voran. Die bekannteste Kinderbuchfigur der angelsächsischen Welt kennt keinen Schrecken, obwohl sie doch dauernd ihr Leben riskiert. Sie dehnt sich aus, füllt im Handumdrehen ganze Häuser, ihr Kopf schießt an ein einem ewig langen Hals empor und die Herzkönigin will sie köpfen. Doch für Alice geht es immer weiter. Am Ende, wenn es brenzlig wird und ihr die Spielkarten um die Ohren fliegen, wacht sie einfach auf. Der Traum ist aus und die ältere Schwester gibt ihr einen Kuss. Dem Mutigen gehört die Welt. Und sei es nur im Schlaf.

Die Zahl der Anhänger des taffen Mädchens ist Legion; Wikipedia verzeichnet quer durch alle Kunstgattungen dutzende Bearbeitungen, Adaptionen und Übermalungen. Die Dresdner Compagnie „Go Plastic“ fügte dem Alice-Rhizom am Donnerstagabend im LOFFT nun eine weitere Luftwurzel in 12 Teilen hinzu: „Mit Alice in den Städten“. Weiterlesen

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Brecht im Cola-Rausch

:Selbstbewusster Kindermund: „Das Badener Lehrstück vom Einverständnis“ im LOFFT:
Der Abend des letzten Ferien-Samstags. Und auf der Bühne Kinder, die freiwillig ein Lehrstück einüben! Verkehrte Welt, sagt sich Lehrer Lämpel. Um es vorwegzunehmen: Dieser Kalauer tritt der Bühnenhandlung nicht zu nahe.

Eine knappe Werkeinordnung: Mit Brechts frühen Stücken meldet sich ein Vokabular zu Wort, das man vergessen glaubte: Nützlichkeit, Einverständnis, Modellcharakter, Lernen und Lehren, Erkenntnis ­– ein Vokabular, das wie von einem anderen Kontinent herüberstrahlt und abprallt an den aktuellen Spielplänen der scheinaktivistisch agierenden Subventionsbühnen! Es besteht also Einverständnis-Bedarf, ohne Frage. Weiterlesen

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Bin das wirklich ich?

(…) „Überall zu Hause und überall fremd, zu Hause und fremd in der gleichen Sekunde“, sei sie gewesen, so die Erzählerin über Christa T. Im LOFFT ist Sofia Flesch Baldin diese Erzählerin. Vor sich die Seiten des Manuskripts, geht sie in intensiver und doch zügiger Sprache durch den Text. Sie hört Wendepunkten nach, setzt Pausen, richtet den Blick auf einen Punkt vor ihrem Pult; so als tauche sie ein in diesen ‚Möglichkeitsraum’, als gälte es, das Bild dieser Christa T. immer neu zu fixieren. Alle Wegmarken der Heldin werden von der Strichfassung bedient: manches, wie die Affäre der bereits verheirateten Frau, wird vorsichtig betont. Der im Ganzen angenehm zurückhaltenden Spielhaltung fehlt nur vor diesen Druckpunkten ein wenig die differenzierend gestaltende Kraft. (…)
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Schrecken ohne Kontur

(…) Wenn schließlich Megaphon und Gasmasken zum Einsatz kommen, scheint – zumindest für die westeuropäische Erzähltradition – die Grenze dessen erreicht, was Requisiten zu Kunst und Spiel beitragen können: Das Leid hat im Theater dann doch einen individuelleren Zugriff auf seinen Darsteller nötig. Ansätze eines physisch übermittelten Schreckens zeigen sich vor allem in einer Figur: Zweimal greifen Tänzer nach dem kahlgeschorenen Kopf der Spielmeisterin (auratisch-eindringlich: Miryam Garcia Mariblanca) und dirigieren sie über die Bühne. Die Energie kehrt sich plötzlich um und die Welt steht Kopf. Denkbar, dass dies alles, das ganze Aggressionstheater, nur in ihrem Schädel stattfindet. Und wenn es so wäre: zu wenig bleibt es in jedem Fall. (…) Weiterlesen

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Leben um jeden Preis

:Die Cammerspiele überraschen mit Ferdinand-Bruckner-Remake:
Freitagabend: Während noch das Publikum Platz nimmt, malt der böse Freder seiner Zukünftigen, der Marie, eine Wunde aus Theaterblut auf den Rücken. Liebevoll macht er das, fast zärtlich. Es wird bei dieser Freundlichkeit nicht bleiben, soviel steht fest. Was in hohen Einweckgläsern auf der Kommode an rotem Saft bereitsteht, wird seine Verwendung finden. Weiterlesen

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Humor von unten

:Theater Handgemenge überzeugt mit unsichtbaren Höllenhund:
Am Ende bekommen sie alle ein Küsschen. Die Königin, Prinzessin Annegret, Hans und des Teufels Großmutter. Das ganze liederliche Personal aus dem „Teufel mit den drei goldenen Haaren“, ins Leben gesetzt von Friederike Krahl und Pierre Schäfer, die nun, simpel zu zweit, vor ihre Puppenstube treten. Das Publikum mag es im begeisterten Beifall noch nicht recht glauben. Sie strahlt erfreut übers ganze Gesicht, er steht – Typ großer Junge – mit verlegenem Schalk daneben. Und dann bekommt sie von ihm ein Küsschen auf die Wange. Da schlägt Herzlichkeit wie eine Flamme aus dem Zauberkasten und schreibt die Derbheit, die Sprödigkeiten und die trockenen Witze der vergangen Theaterstunde um in so etwas wie Menschenliebe. Weiterlesen

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Spiel im freien Raum

:Tanzproduktion der „Villa“ zeigt im LOFFT kraftvolles mixedabled-Ensemble:
Wenn man große Worte über den vergangenen Sonnabendabend machen wollte, könnte man sagen: Eine der Utopien unserer geteilten Welt ist für eine Theaterstunde eingelöst worden. Die Utopie, dass Behinderte und Normale zusammengehören. So weit zusammengehören, dass selbst ultimative Reflexe zum Schweigen gebracht werden. Reflexe der Kategorie: Äh, war das jetzt politisch korrekt? Darf man „normal“ sagen in einem Satz mit „behindert“? Oder verhalte ich mit damit normativ? Bin ich die Norm, weil ich zur Mehrheit gehöre? Und was derlei Probleme mehr sind. Weiterlesen

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Helfen bis zum Umfallen

„Kaspar Häuser Meer“ – ein Sittenbild der Sozialarbeit zu Gast im LOFFT Man wünscht den drei Frauen auf der Bühne, sie könnten Fische sein. Stumme Fische. Doch Gott meint es nicht gut mit ihnen. Er hat sie Sozialarbeiterinnen werden lassen. … Weiterlesen

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Puzzles aus Biographien

„Friendly fire“ zeigen eine Doppelpremiere im Tapetenwerk / Lofft Der junge Mann am Einlass begrüßt das Publikum zur Uraufführung. Ein netter Versprecher. Denn kein Heiner-Müller-Text ist häufiger choreographiert, zelebriert, performt oder auch nur schlicht gesprochen worden als „Bildbeschreibung“. Zu Recht. … Weiterlesen

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Hinter den Ohren schreiben

:Notiz zu „Nackter Wahnsinn – Was ihr wollt“ am Centraltheater Leipzig:
Dieser Abend gewinnt seine Kraft (wieder einmal) aus dem existentiellen Einsatz zweier Schauspieler – Maximilian Brauer und Cordelia Wege. Es braucht bis dahin drei Stunden, die es nicht braucht – und doch wieder braucht. Wenn Brauer sich im Schweiße seines nackten Antlitzes/Körpers mit dem Regisseur dieses Theaters auf dem Theater (Manuel Harder), der hier nun endlich Gott sein darf, einen letzten Kampf liefert, dann ist dies wahrlich ein phänomenaler Disput über die Zurechnungsfähigkeit der Kunst & der in ihr Lebenden. Weiterlesen

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Guter Mensch im schweren Wasser

:Notiz zu „Der gute Mensch von Sezuan“ am Centraltheater Leipzig:
Kathrin Angerers Shen Te hält, was man sich erhofft. Sie steuert die Exaltation des Gutmenschentums zwischen Auflösung und Karikatur der Figur in unmerklicher Mitte. Der Vetter Shui Ta: Was das Kostümbild hier vermag. Ein Dreikäsehoch, der sich an einer Chaplinade versucht. Dieser Shui Ta ist noch zerbrechlicher, als seine von den Wassern der Seele bewegte Schwester. Um so mehr überträgt sich die Verzweiflung ins Parkett, wenn Angerer darum kämpft, sich aus dieser schmalhüftigen Figur in Kraft zu setzen. Weiterlesen

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Ritterspiel vor Drohkulisse

„Merlin oder Das wüste Land“ von Tankred Dorst („Schaustelle Halle“ und „Ebeling & Koll.“):
Wir siegen, flüstert König Artus. Ein letztes Mal hat ihm sein Zauberer Merlin die Zukunft offenbart. Ja, wir werden siegen. Und wieder merkt Artus nicht, dass diese Wahrheit keine Zukunft hat. Gestern nicht und heute. Ein letzter Ton auf der E-Gitarre und das Licht verlischt. Nur hoch oben am Ruhmeskranz des Völkerschlachtdenkmals strahlen vier böse Ritter eisig über Leipzig und die kleinen Fahrensleute. Die steinernen Recken werden niemals etwas lernen. Mindestens dies schafft das Spiel der Komödianten: Die pompöse Kulisse enttarnt sich wie nebenbei als groteske Schauerlichkeit des Militarismus. Weiterlesen

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Buffos des Blutes

:Notiz zu „The Wolf Boys“ – Norton.Commander.Productions:
Auch das Grauen realisiert sich in geordneten Verhältnissen. Hinten in der Mitte steht das Blutgerüst, vorn markieren zwei Musiker in schöner Symmetrie das Portal der Schlachtplatzes. Die Performer Wulferts & Wagner gehen als Boten aus dem Reich des Blutrauschs der Zentralperspektive ins Netz. Eben noch arrangieren sie sich zu Gottfried Benns „Schöner Jugend“ – die Geschichte mit dem Mädchen im Schilf und den Ratten im Bauch – auf dem Gerüst, dann heißt es wieder Absteigen und an der Rampe zwischen den Tonabnehmern eine nächste „Aktion“ martialisch zu markieren. Mit Eigenblutdoping und einer sexualisierten Organ-Spenden-Orgel finden sich bildnerisch eindrucksvolle Operationen; das meiste jedoch bleibt an der energetisch-optischen Mittellinie hängen und füllt fast betulich das schwarze Poesiealbum des Abends. Weiterlesen

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Gott wohnt im Café Westen

:Solveig van der Hoffmann lädt in die Werkstatt für Grundsatzfragen. Ein Ortstermin:
Wenn es Fragen gibt, sagt Solveig, bin ich für euch da. Sie steht im Foyer des LOFFT und zeigt auf ihre weiße Mütze. Daran erkennen wir sie im Getümmel. Auch wenn Sie nicht „Getümmel“ sagt, schwant einem doch, es könnte dicke kommen. Ich nicke, alle anderen auch. Schließlich stehen die Uhren auf Performance, und an uns soll es nicht liegen. Doch Grundsätzliches verträgt nur sechs Augen. Das Getümmel, der Wodka und die großen Fragen müssen warten. Der Haufen wird aufgeteilt. In neun Grüppchen zu je drei Menschen. Solveig macht ein bisschen Hokuspokus um die Lieblingsfarbe, ich wähle einen blauen Laufplan. Und schon gehöre ich zu Esther und Friederike. Und was machst du so? Die jüngere mit der schicken Brille macht was fürs Radio und Esther hat ihre Freundinnen irgendwo zwischen pink und lila eingebüsst. Ich gebe mir Mühe, ihnen nicht auf die Nerven zu gehen. Wie guten Freunde eben. Weiterlesen

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Wer immer strebend sich bemüht…

:Das LOFFT lädt zur Geisterfahrt mit Britney Spears:
Ein guter Intellektueller hat noch nie Britneys Musik gehört, aber natürlich im Feuilleton über sie gelesen. Und was sagt „Faust“ den bildungsfernen Schichten? Zumindest der Name ist bekannt. Wahre Prominenz strahlt in die verschiedensten Milieus. Der Gott des einen taugt dem andern mindestens als Reizwort. Weiterlesen

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Glücklich ohne Funktionsbekleidung

:Die Performer von „Handa Gote“ verbergen sich hinter der Patina des Privaten:
Die Heizung bläst laue Luft in die Zeitmaschine. Noch haben die Prager Künstler ihre Patience mit dem Gestern nicht begonnen, da atmet das Interieur des UT Connewitz schon sein gemächliches ‚Ach’. Wahrlich eine Unternehmung am rechten Ort. Der Eröffnungsabend der diesjährigen Ausgabe des Off-Europas-Festivals legt es mit „Ekran“ darauf an, alles, was an Modernität, Eile und Präzision über die Menschen gekommen ist, auszutilgen. Weiterlesen

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Ich mag kein lackiertes Theater

Knut Geißler kennt die osteuropäischen Theater-Provinzen wie kaum ein Anderer. Der Leipziger kuratiert seit 18 Jahren das Festival „Off Europa“. In der kommenden Woche läuft in Leipzig und Dresden seine aktuelle Werkschau: in diesem Jahr mit Theater aus Tschechien. Weiterlesen

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Aller guten Dinge sind drei?

:Ein Abend über den Dichter Schernikau bemüht sich im LOFFT um Ordnung:
„Alles was verstanden werden soll, wird dreimal gesagt.“ Der Vorhang fällt, die drei aufrechten Schernikaus sind durch. Der Dichter liegt hinter ihnen. Die Erleichterung ist ihnen anzusehen. Drei Seiten hat in der Produktion von „Portfolio Inc.“ jeder Gedanke – denn Ronald M. Schernikau war Kommunist, Literat und Schwuler – und ließ sich als letzter Bundesbürger, im September 1989, in die DDR einbürgern. Weiterlesen

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Die Last der Performance

:Sebastian Hartmann verstößt sein Ensemble aus der Unschuld des Kollektivs:
Hamlet ersticht den guten Polonius durch die Tapete: Eine markante Aktion, für die er seine Gründe hat. Gute Gründe, die sich Schauspieler und Regie auf den Proben erarbeitet haben sollten. Nichts anderes war Theater über viele Jahrhunderte. Eine andauernde Abfolge von motivierender Situation und sekundärer Aktion. Wenn Regisseur und Spieler es zulassen, entsteht aus diesem Karussell des Reagierens nach und nach das, was gern Handlung genannt wird. Mit jeder absolvierten Situation steigt das Vorwissen des Publikums: Was noch kommt, wird verständlich vor dem Hintergrund dessen, was schon war. Theater als Exerzitien am Körper der klassischen Semiotik. Weiterlesen

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Welttheater auf dem Hinterhof

:„Wie es euch gefällt“ – Ein Shakespeareworkshop auf der Sommerbühne des Westwerks:
Ein gutes Programmheft ist schon mal die halbe Miete. Da gibt es für das „Theater Eumeniden“ auch gleich Bonuspunkte. Szenenfolge, Kostümzeichnungen und Schlagwortübersetzung aus dem Englischen. Was leider fehlt, ist eine der berühmten Fragen an Reich-Ranicki: „Kann ich mich noch unter Menschen trauen, wenn ich die Shakespeare-Komödien nicht auseinanderhalten kann?“ Berechtigt ist die Frage allemal. Schließlich ist es nicht leicht, sich zu merken, dass die verstoßene Prinzessin in „Wie es euch gefällt“, diese Rosalinde, sich von Oberon in einen Schäfer verzaubern lässt, um endlich die Liebe ihrer vertauschten Zwillingsschwester Viola im Wald von Athen zu erringen. Oder war das doch anders? Weiterlesen

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Poesie für Realisten

:Der Sommerspielplan des Westwerks punktet mit Mascha-Kaléko-Abend:
Die Karl-Heine-Straße, gegen halb zehn abends. Vorm „Noch besser Leben“ sitzt die Jugend auf der Straße. Ein älterer Knabe spricht übers Bier hinweg einer spröden Schönheit ins Gesicht. Er finde Goethe trocken. Seine Miene ist bedeutungsvoll – die Schöne nickt. Sie mag den Knaben wirklich gern, also stimmt sie ihm zu, obwohl sie „Wanderers Nachtlied“ für gelungen hält. Denn auch der beste Sommer zählt nur ein paar wirklich gute Augenblicke – und die gilt es zu nutzen. Und nun kommt der Kaléko-Moment: Die Schöne kann sich nicht entscheiden, ob sie sich für diese reflexive Präzision tadeln oder loben soll. Weiterlesen

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Die Wahrheit ist chaotisch

:Thomas Pynchons Roman „Die Versteigerung von No. 49“ kommt im Lofft auf die Bühne:
Wenn mal wieder wer den „Zauberberg“ aufs Theater bringt, muss man über die Vorlage kein Wort verlieren. Aber wer bitte ist Thomas Pynchon? Ältere Semester schütteln über solche Leerstellen natürlich den Kopf. Als Diplomarbeiten noch auf mechanischen Schreibmaschinen getippt wurden, war Pynchon ein Gott. Ein paar Damen und Herren aus diesen Jahrgängen mischten sich dann auch unters Premierenpublikum im Lofft: Noch einmal dem morbiden Reiz einer alten Liebe frönen und schauen wie sie sich gehalten hat. Weiterlesen

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Der ganze Körper

:Die Tanzoffensive beendet eine hochanregende Theaterwoche:
Das klassische Ballet hat es nicht leicht. Sein Vokabular stammt aus dem späten 19. Jahrhundert; gut möglich, dass die Nutzung seiner Sprache, wie etwa beim Esperanto, mangels Interesse erlischt und sie den Weg in die Museen antritt. Außerdem ist der Schönheitsbegriff ein Luder, er geht mit der Zeit. Etwas Erhabenes kann hundert Jahre später, einfach reproduziert, sehr leicht komisch wirken. Umso mehr, wenn es ihm an Selbstreflexion mangelt. Weiterlesen

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Viele Zeichen, wenig Wunder

:Die „Tanzoffensive“ im Lofft müht sich mit drei Auftragsproduktionen:
Handelte es sich bei „Willkommen zu Hause“ um einen kulinarischen und keinen Theaterabend, wäre die Malaise mit einem Vergleich gut beschrieben: Zerlegt man eine Pizza in drei Teile, bleibt es immer noch eine Pizza. Aber was sind drei Sorten Shrimps auf einem Teller? Wohl kein Gericht, sondern eher eine Verkostung. Weiterlesen

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Das Herz tanzt

:Die Auftaktinszenierungen der „Tanzoffensive“ lassen an Charakter nichts zu wünschen übrig:
Im gefalteten Programmzettel des Eröffnungsabends liegt ein Mundschutz. Weiß und unschuldig. Niemand im Publikum wird ihn benutzen, und so findet er sich am Morgen danach, clean, auf den Küchentischen und in den Jackentaschen der Besucher. Noch einmal davongekommen. Eine perfide Versöhnungsgeste der Tänzer, die die Nachwirkung der Show auf die nächsten Tage verlängert. Weiterlesen

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Rabatz im Puppenheim

:TheaterPack bringt im LOFFT Christian von Asters „Großmickering“ zur Uraufführung:
GroßmickeringDer Titel ist Programm. „Großmickering“. Ein Kaff, ein Nichts, ein Ich-kenne-hier-alle-Ort. Die sympathischste Figur in solchen Landstrichen ist immer noch der Dorftrottel. Den Rest kann man getrost vergessen: Ein Schneider mit Quetschfrisur, ein sangesfreudiger Pfarrer, der Ortsfleischer mit dem einzigen Fernseher und ein extremnuschelnder Bauer: aus diesem Kasten zieht Christian von Aster sein Personal.Nur ein TV-Gerät im Ort? Das heißt, wir befinden uns in den 50er Jahren. Oder aber: Es herrscht Parabelstimmung. Weiterlesen

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Vergesst die Konkurrenz

:Das Hildesheimer »Theater 11.August« gastiert im Lofft mit „Abstracts of Men“:
Ein Mann ist ein Mann ist ein Mann. Wirkliche Tiefe verweist immer nur auf sich selbst. Auch ein großer Theaterabend kann seinen Gegenstand vergessen. Kann ihn vergessen machen, weil er nicht über etwas handelt, sondern durch ihn hindurch spielt. Schöne Theorie für die Produktion »Abstracts of Men«, die auch im Centraltheater gern reklamiert wird – aber: Es verschwindet der Gegenstand nur, in dem man ihn verarbeitet. Und das möglichst intelligent. Weiterlesen

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