Ein Steckbrief des besseren Lebens
Die Woche Hörspiel nach dem Roman von Heike Geißler.
Mit Anja Schneider, Katharina Marie Schubert, Birte Schnöink, Thomas Thieme, Bernhard Schütz, Niklas Wetzel. Piano und Arrangements Michael Hinze Trompete Konrad Schreiter Ton Holger König Schnitt Christian Grund und Holger Kliemchen Hörspielbearbeitung und Regie Stefan Kanis
Erstsendung MDR KULTUR, 26. Juni / 03. Juli 2023.
Inhalt | Presse | Auszeichnung
Stellen Sie sich vor, eine Woche bringt es auf stolze sieben Montage. Immer, wenn man denkt, es ist vollbracht, die Woche ist endlich losgegangen und hat Fahrt aufgenommen und man glaubt, sie weiß, wo sie hinwill, springt die Zeit zurück. Und es ist wieder Montag. Und stellen Sie sich weiter vor, an jedem dieser Montage ist eine dieser Demonstrationen, die vom Montag den Namen – sagen wir es zurückhaltend – ausgeborgt haben. Ohne ihn zu fragen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten damit leben. Kann sein, dass Sie das gut finden. Die beiden Roman-Heldinnen, die proletarischen Prinzessinnen (PP), finden das ganz und gar nicht gut. Erleben Sie die beiden in einem turbulenten Kampf gegen die Windmühlen des Zeitgeistes. Hören Sie, wie sich die PP den Tod zum Freund machen (und den Esel in Grimms Märchen widerlegen, der tatsächlich behauptet „etwas Besseres als den Tod findest Du überall“). Fiebern Sie mit, wenn die PP sich nicht schonen und fragen, wo politische Wirksamkeit beginnt und Attitüde endet. Lernen Sie, wie man einen Garten in ein Schloss verwandelt. Wie man die eigenen Bauchmuskeln trainiert ohne andere zu diskriminieren. Wie man das Karussell der ewig Gestrigen zum Stillstand bringt. „Die Woche“ – ein Steckbrief des besseren Lebens bei maximal minimierten Schuldgefühlen.
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Heike Geißler, wurde 1977 in Riesa geboren und wuchs dort und in Karl-Marx-Stadt auf. Sie ist Autorin, Übersetzerin und Mitherausgeberin der Heftreihe „Lücken kann man lesen.“ Große Aufmerksamkeit erfuhr ihr Reportage-Roman „Saisonarbeit“ (Spector Books 2014) in dem sie Erfahrungen als Aushilfskraft in einem Amazon-Logistikzentrum verarbeitet. Verschiedene intermediale Projekte, darunter das Fragenheft und Hörspiel „Fragen für alle“ (2016 ff.) und die Gesprächsreihe/Film „Das Jetzige“ (2022/23). 2008 und 2021 Nominierung zum Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Roman „Die Woche“ (Suhrkamp) stand auf der Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse 2022. Heike Geißler lebt in Leipzig.
Presse
»Das alles findet in einem akustischen Ambiente statt, das man Sachsen nicht zugetraut hätte, nämlich in den Soundwelten von Ennio Morricone. Konrad Schreiter als kleiner Trompeter (das lustige Rotgardistenblut) trifft in den Arrangements von Michael Hinze auf Melodien des Filmkomponisten und so erscheinen die Showdowns im Hörspiel meist als Selbstbilder einer heroischen Inszenierung, denen die Protagonistinnen selbst nicht glauben. Denn sie wissen, dass der Subtext ein Besserwisser ist, und das sagen sie auch.
Niemand inszeniert Subtexte auf akustischer Ebene so differenziert wie Regisseur Stefan Kanis. Das war schon in der Hörspielversion von Ingo Schulzes „Deutschlandgerät“ (Kritik hier) so – und nun hier. Denn es sind nicht nur die Morricone-Melodien oder der nahe liegende Gassenhauer „Monday, Monday“ von The Mamas and the Papas, sondern auch DDR-Liedgut wie „Wer möchte nicht im Leben bleiben“ oder „Kleine weiße Friedenstaube“, die von den Schauspielern gesungen werden.
So wird von einem Land erzählt, in dem unabhängig von Wochentag oder Regime immer Montag ist. Und wenn es einmal Dienstag wird, dann kann eine Rückstellung auf Montag behördlich angeordnet werden. „Der Tag ist ein ekelhafter Wiedergänger, der auf Jungspund macht“, heißt es an einer Stelle und an einer anderen: „Die Montage fließen als morsche Knochenbrühe in Richtung Zukunft.“
„Die Woche“ ist traurig und komisch zugleich, ironisch und sarkastisch. Ein zersplitterter Wenderoman, der ganz nebenbei eine Mentalitätsgeschichte erzählt. Das Hörspielinszenierung kann sich mit der Geißlerschen Sprache messen und ergänzt sie um eine unerwartete musikalische Dimension. Selbst in der Konfektionierung als Siebenteiler wird das Stück nicht zur Nummernrevue.«
(Jochen Meißner, KNA vom 06.07.23)
Auszeichnung
Die Jury des „Hörspiels des Monats“ der Deutschen Akademie für Darstellende Kunst wählte das Stück zum Hörspiel des Monats Juni 2023.
Die Jury-Begründung:
»Mit dem Hörspiel “Die Woche” nach dem gleichnamigen Roman von Heike Geißler gelingt der Autorin und der Produktion ein einzigartiger Spannungsbogen. Die Vorstellung, jeden Tag Montag – und somit jeden Tag wieder neu in die Woche einsteigen zu müssen, wird für den Zuhörer eine spannende als auch beklemmende Reise. Denn nicht nur ist es immer Montag, die täglich stattfindenden Demonstrationen haben sich den Namen vom Montag ausgeborgt. Die als Roman glänzende Erzählung lebt nochmal neu und besser auf.
Mit den beiden Protagonistinnen wird die Handlung besonders gelungen erzählt, und durch den manchmal frechen Ton und mit der passenden Besetzung der Sprecherinnen ist das Gesamtpaket überragend. Die Geschichte, die politisch sowie gesellschaftlich relevant ist und auf der Metaebene jeden abholen kann, überzeugte die Jury eindrücklich.
An dieser Stelle ein Zitat, dass sowohl die lyrische als inhaltliche Leistung unter anderem hervorhebt: “Was ist denn das für ein liebreizender Tag, aus dem später ein räudiger wird? Ein Tag, der die Sonne in die Küche scheinen lässt, der Baustelle im Hinterhof noch Ruhe verordnet hat und eine frische Brise durch die offenen Fenster in alle Räume schickt?”. Besonders die musikalische Untermalung, mal mystisch, mal komisch, immer passend, die aufwühlende Einführung in die jeweiligen Folgen unterstreichen unsere Entscheidung.«