Humor von unten

Theater Handgemenge überzeugt mit unsichtbarem Höllenhund

Am Ende bekommen sie alle ein Küsschen. Die Königin, Prinzessin Annegret, Hans und des Teufels Großmutter. Das ganze liederliche Personal aus dem „Teufel mit den drei goldenen Haaren“, ins Leben gesetzt von Friederike Krahl und Pierre Schäfer, die nun, simpel zu zweit, vor ihre Puppenstube treten. Das Publikum mag es im begeisterten Beifall noch nicht recht glauben. Sie strahlt erfreut übers ganze Gesicht, er steht – Typ großer Junge – mit verlegenem Schalk daneben. Und dann bekommt sie von ihm ein Küsschen auf die Wange. Da schlägt Herzlichkeit wie eine Flamme aus dem Zauberkasten und schreibt die Derbheit, die Sprödigkeiten und die trockenen Witze der vergangen Theaterstunde um in so etwas wie Menschenliebe.

Die Inszenierungen des Theaters Handgemenge sind in ihrer überhitzen und gleichzeitig lakonischen Diesseitigkeit längst stilbildend. So heißt die Inszenierung von Hans Krüger, die am Wochenende im Lindenfels-Westflügel zu Gast war, denn auch simpel: „Manfred im Boot“. Am Ende geht es für alle gut aus. Nur eben nicht für König Manfred. Der sitzt zum Schluss im Nachen und muss die Leute zur Hölle übersetzen. Pech gehabt. Hans dagegen, der zu seinem 16. Geburtstag – so beginnt nach der Rahmenhandlung der Abend – vom Müller in die Kunst des Säcketragens eingeführt wird, meistert ohne viele Worte die Erziehungsversuche. Der Müller: „Ich knie mich hinter den Sack. Ich hebe den Sack“. Und schon klemmt die Säge. Der Sack ist für den Müller zu schwer. Ein Ruck geht durch den Puppenkörper. Dann Stocken. Man meint auf dem Gesicht der Handpuppe das Erstaunen Runzel für Runzel ablesen zu können. Als es dann trotzdem klappt, trägt Hans den Müller samt Sack – und der Müller merkt es nicht. Es sind diese exaltierten Tatsächlichkeiten, die die Spieler über ihre herausragende Technik zum Gegenstand von Theater machen. Humor von unten, der sich über den Abend in dutzenden von Irritationen, Scherzen und Rückbezügen verdichtet. Allein was des Teufels Großmutter in ihrer Hexenküche aufführt, um dem Belzebub ein Kreuzotterragout aufzutischen, ist mit Worten nicht mehr darstellbar. Ihr in Schüben geführter Disput mit dem Höllenhund – nein, sie wird ihn nicht sichtbar machen, er könne bellen wie er wolle – endet nichtsdestotrotz jedes Mal mit der Anweisung „Zunge rein“. Wir reden von der Zunge eines unsichtbaren Puppenhundes, den man weder sehen muss noch mag, um nicht trotzdem stets wieder zu Lachen.

Am Schluss fragt König Manfred, was wir die letzte Stunde so gemacht haben – und ob nicht mal jemand seinen Job machen möchte. Warum nicht. Hundert Jahre könnte man es ganz gut aushalten unter solch eigenwilligen Typen.

(Leipziger Volkszeitung, 2. April 2012)

Theater Handgemenge | »Manfred im Boot« (frei nach dem Märchen »Der Teufel mit den drei goldenen Haaren«| Regie: Hans Krüger | Mit: Friederike Krahl und Pierre Schäfer

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