Viele Zeichen, wenig Wunder

Die „Tanzoffensive“ im Lofft müht sich mit drei Auftragsproduktionen

Handelte es sich bei „Willkommen zu Hause“ um einen kulinarischen und keinen Theaterabend, wäre die Malaise mit einem Vergleich gut beschrieben: Zerlegt man eine Pizza in drei Teile, bleibt es immer noch eine Pizza. Aber was sind drei Sorten Shrimps auf einem Teller? Wohl kein Gericht, sondern eher eine Verkostung.

Nichts anderes hat das Lofft mit seinem Überraschungspaket vor. Ein Menü, bei dem der Zufall den Chefkoch abgibt. Das hat funktioniert. Dabei ist allerdings nichts über die Zutaten gesagt – um die Küchenvergleiche vorerst zu beenden.

Das Festivalteam bat drei Choreographen, die dem Haus in den vergangen Jahren verbunden waren, eine halbstündige Arbeit exklusiv für die „Tanzoffensive“ zu kreieren. Was wie eine Chance klingt, ist jedoch auch unsportlich, denn die Tücke liegt schon in den Voraussetzungen: Alle anderen Inszenierungen des kleinen Festivals sind bemerkenswerte Produktionen, die ihre Qualität bewiesen und ihr Publikum in anderen Städten schon gefunden haben. Die drei Shorties sind Premieren, Fahrkarten ins Ungewisse. Will es der Zufall, dann entpuppt sich vielleicht eine von Ihnen als Bonbon. Dieses Glück war den Veranstaltern nicht vergönnt.

Den Anfang macht eine Studie von Steffen Fuchs: „Maria am Wasser“. Als Auseinandersetzung mit der medialen Transformation des historischen Marienbildes annonciert das Programmheft das Geschehen. Am einprägsamsten bleibt noch das widersprüchliche Kostümbild in dem der hochgewachsene Fuchs eindrucksvoll Statur macht: Kimono, Plasteschmuck und feines Kettenhemd. Sein Part konfrontiert streng kodifizierte klassische Tanzformen mit dem zuckenden Protest des Körpers im zweiten Abschnitt der Performance. Das vermag weder sonderlich zu verstören noch sich anderweitig konkret zu vermitteln.

Friederike Plafki, die Nummer zwei, beginnt konzentriert und prüft an ihrem Körper die Reaktion auf Erlebtes. Emotionale Spannungen gewinnen das Publikum, doch bald verliert sie sich an eine Klebearbeit. Sie verteilt gut 10 Minuten lang schwarzes Bühnenband auf ihrem Körper, befreit sich von ihm, ergänzt einzelne Stücke. Die Zuschauer stehen ohne Koordinatensystem ratlos vor diesem Abstraktionssprung. Der Ansatz beweist Potential – und verschenkt es ebenso deutlich.

Die Dresdner Schott AG läuft als Dritte im Bunde in eine ähnliche Falle, wenn auch deutlich zupackender. Virginie Nass und Nora Schott beginnen eigenwillig als schwarze Frauen, symbiotische Zwillinge, die, in und über sich kriechend, ihr Kurzstück „Streifschuss“ einführen. Gekonnte Handchoreographien lassen Käfer und Ameisen assoziieren. Die schwarzen Zwillinge bespielen Spielzeuggitarren, ferngesteuerte Autos und Goldfische in einer Glaskugel; immer höher wird der Haufen von Wundern und Zeichen, auf dem sich die beiden einrichten. Es riecht nach einer gedopten Version von „Alice im Wunderland“, die allerdings zu vieles nebeneinander stellt, anstatt es aufeinander zu beziehen. Am Ende sichern sich die beiden, nicht zu Unrecht, den kräftigsten Applaus des Abends; der – zurück zur Sprache der Lebensmittel – überwürzt und gleichzeitig etwas geschmacklos daherkommt.

(Leipziger Volkszeitung, 07.05.2010)

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