Lust spielt Sprache

Wolfgang Krause Zwieback im Schauspiel Leipzig

Wolfgang Krause ZwiebackI. Wolfgang Krause Zwieback verbrennt an einem Abend so viele Ideen. Die Sprache ist sein Phönix, er ist ihr Adjutant und Kellermeister. Er greift sich einen Satz und destilliert aus der Sinnlichkeit der Sprache ihren Unsinn. Er rüttelt, gießt um und quirlt durch: Die Sprache strahlt und sprudelt, befreit vom Frondienst an der Wirklichkeit. Wenn Heine der Sprache das Mieder gelockert hat, ist Krause Zwieback ihr Lustknabe. Bei ihm kann sie sich vergessen. Was es bedeuten könnte, wenn die Sprache ihre eigene Sprache spricht, ist bei ihm zu erfahren.

II.
Die Worte sind das eine. Ließe man Krause Zwieback wie er wollte, er würde ein Welttheater inszenieren. Du hast Augen, um zu schauen, Ohren um zu hören, einen Mund, um zu schmecken. In den 90er Jahren trafen Schauspiel Leipzig und Krause Zwieback viermal aufeinander. SCHAUSPIELHAUSSCHAUSPIELSCHAU (1995) / DER HEISSE WAI – KOCH DAS MENÜ (1997), VOM WINDE VERFLOGEN – DER FALL SCHIRM (1999), DIE LOCKBÜCHER – AUF NACH STROMBOLI (2000). Zwieback versteht sich nicht als Leipziger, aber er wird hier verstanden. Er hätte gern auch weiter in der Bosestraße gearbeitet.

III.
1737 vertrieb die Neuberin in Leipzig den Hanswurst. Platz für das regelmäßige Schauspiel: Menschendarstellung als Profession. Ein freundlicher Mann beugt sich zu Krause Zwieback und fragt: Und welche Aufgabe hat die Phantasie in ihrer Kunst?

IV.
Wieviel Kunst braucht Phantasie? Was ist dem Menschen gemäß? Nur weil sich die Fragen bei Krause Zwieback selbst stellen, stellt er eben längst noch nicht keine Fragen. Er ist kein Spielverderber. Fragen Sie ruhig.

V.
Die Verhältnisse arbeiten für Krause Zwieback. Er will Anfänge, keine Deutungen. Plateauphasen sind seine Bühnen. Die 80er Jahre der DDR – und jetzt die Lebenslüge des Standorts Deutschlands. Er ist keine stehende Bühne, er muss nicht wirken wollen. Krause Zwieback zeigt, dass die Erkennbarkeit der Welt sich nicht in ihrer Darstellung einlöst.

VI.
Krause Zwiebacks Figuren machen sich über niemanden lustig. Sie teilen mit dem Publikum kein Augenzwinkern. Im Lachen honoriert ihnen das Auditorium diesen Ernst. Das Lachen bei Krause Zwieback ist der Dank für einen Blick in eine Welt von aberwitzigen Möglichkeiten.

VII.
Mit Wolfgang Krause Zwieback kehrt der Hanswurst als Don Quichotte ins Theater zurück. Seine Figuren sind Unentwegte. Auch in ihrer traurigsten Gestalt ziehen sie ins Reich der Freiheit. Ihre Wortspiele tragen wir mit uns wie edle Visitenkarten – Kurzschriften unverhandelbarer Angebote, die in Anspruch zu nehmen, wir uns ein Leben lang überwinden.

(Originalbeitrag für den Sammelband »Theater in der Übergangsgesellschaft. Schauspiel Leipzig 1957-2007«. Theater der Zeit 2007)

www.krause-zwieback.de

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