Im Jenseits des Theaters

Teatro Mari zeigt „Hopi“ im Werk II

Hopi sind Indianer. In diesem schlichten Satz erschöpfen sich meine ethnologischen Kenntnisse über ein Volk, dem Uwe Hilbig, Altvorderer des „Front“-Theaters, ein Stück gewidmet hat. „Hopi“ will nicht auf Aufklärung hinaus, wie ich noch bemerke. Formal präsentiert sich das Stück als dreiteiliger Abend. Er führt uns zu einer kreisrunden, sandigen Spielfläche. Über ihr wölbt sich ein stählerner Himmel. Im ersten Zeitsegment nimmt der Zuschauer an einer Art anthropolgischer Demonstration teil, die zu deuten ich (mir) versage. Dörte Lucht, neben Hilbig zweite Akteurin, gliedert das Rund mittels rotem Sand in Viertel. Danach läßt sie mit einem intensiveren Farbton eine Spirale auf das Zentrum zulaufen. Sie und Hilbig in Kostümen, Maske und Körperschminke offensichtlich/möglicherweise Hopi. Guturale Laute als Synchronisationsmittel. Abschreiten der Viertelkreise. Schellen, Medidative Klänge aus der Konserve. Zwischen zyklischer Zeit und Territorialmarkierung eröffnen sich breiteste Assoziationsmöglichkeiten. Abschließend Entdeckung/Beschwörung des Feuers, Angst und Wärme.

Die Zuschauer wohnen einem fremden Ritual bei und ahnen wohl höchstens, wessen Zeugen sie werden. Um ein Sensorium jenseits des Geistes zu öffnen, bleiben Rhythmus und Energie der Darbietung jedoch zu wohltemperiert.

Ein zweiter Teil bringt deutsche Sprache ins Spiel. Ich wittere Kommentar, Aufhellung, Theater. Es wird versucht, das Problem der Hopi, so deute ich, von seiner allgemeinsten gleichnishaften Seite zu entwickeln: als unser aller Problem. Die beiden Spieler sind nun äußerlich von der Zivilisation gezeichnet. Jacke, Mantel, Anbetung der Coca-Cola-Flasche. Zwischen ihnen wechselt das Wort „Aufklärung“. Nur, was gesprochen wird, bleibt dunkel. Zu verstehen ist: die Aufklärung hat manches Zweideutige, Übernatürliche auf dem Gewissen. Rationalität begräbt den Mythos und irgendwie hängt „Leipzig kommt!“ mit den Hopi zusammen. Hilbig erreicht stimmliche Intensität, ist mit Engagement und Formwillen bei der Sache – nur bei welcher. In Zitaten von E.T.A. Hoffmann, Splittern und Andeutungen agieren zwei Figuren, denen es nie in diesem Mittelteil wohl nicht geschadet hätte, wüßte man ein wenig mehr darüber, wer sie sind, was sie zum Reden bringt. Daß die Worte, die gesprochen werden, nicht ohne Bedeutung sind, ist offenkundig – doch die Inszenierung scheint ihnen nicht zu trauen. Das Gesagte sagt ihr immer zu wenig, die Szene greift immer weiter ins Totale – und damit ins Allgemeine.

Der dritte Teil variiert Motive des ersten. Die beiden Wesen, die offenbar „gerettet“ werden, finden sich wieder in die Natur/Paradies/Reservat.

„Hopi“ – zweifellos ein eigenwilliger Versuch: selbstzerstörerisch und fast schon jenseits des Theaters.

Stefan Kanis (KREUZER)

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