Don’t ask why

Matthias Brenner inszeniert »Die Schönheitskönigin von Leenane« von Martin McDonagh

Ein Londoner Autor, Jahrgang 1970, schreibt ein Stück über Iren. Er hat die Heimat der Eltern, die auf heilige Namen wie Galway und Limmerick lautet, in den Ferien regelmäßig besucht. Aber er schreibt kein Stück über Katholizismus und Whiskey. Die Iren des Martin McDonagh sind dekoloriert. Schwankende Gestalten ohne Ambiente, ihr Nationalstolz kommt nur im Negativ vor, als etwas, wofür man sich nichts kaufen kann. Möglich, dass das nie anders war. Doch das interessiert den Autor nicht. Alles was er braucht ist »ein Dialekt, eine kleine Geschichte und einige nette Charaktere«.

Die Geschichte ist tatsächlich klein und die Charaktere typisch. Eine alte Mutter tyrannisiert ihre vierzigjährige Tochter Maureen. Sie leben zusammen, auf einem „großen, blöden Hügel“. Die Junge schindet sich für die Alte, weil die das so will. Läßt nicht zu, dass Maureen ein eigenes Leben leben kann. Marylu Poolman spielt die tückische Greisin in schöner Verdrahtung von innen und außen: Jedes Nasenrunzeln, jede Armbewegung der Alten spiegeln und vervielfachen das Gesprochene. Susanne Stein ist die gestrandete Schönheitskönigin, vom Typ her irischer als dem Autor lieb sein kann. Sie ist die Frau, die am Ende ist. Es braucht keine zwei Minuten, und sie liegt mit ihrer Mutter im Clinch. Da sich dieser Clinch wiederholt und wiederholt, will man der kleinen Geschichte eine Frage stellen: Warum? Warum tyrannisiert die Alte die Junge? Wegen des vielen Regens, der Arbeitslosigkeit oder ihrem schlechten Charakter? Warum läßt die Junge sich das seit Jahren gefallen? Wo O’Casey oder Brendan Behan von Lebenswegen und Prägungen erzählen, zeigt der McDonagh Zustände. Damit steht er unter den neuen Autoren nicht allein.

Susanne Stein zeigt freilich mehr, als im Text steht. Ein Hauch von Lust am Untergang findet sich in ihren Gesten, Lust an der Wiederholung und Bestätigung des Gehaßten. Trotzdem wirkt das Geschehen eigentümlich zweidimensional. Für Tiefenschärfe fehlt dem Autor die Zeit. Denn das Stück geht weiter, es folgt einem Plan. Dieser Plan hat mit Maureens Jugendfreund Pato zu tun, der wieder in ihr Leben tritt. Und mit dessen Bruder Ray, der die Nachrichten von Pato an Maureen bestellen muß. Und mit der Alten, die die Übermittlung der Nachrichten verhindert. Und auch die Regie von Matthias Brenner folgt diesem Plan, sie hütet sich vor Eskapaden, sie nimmt die Figuren so wie sie sind, ohne Hinterland, und schickt sie ins Spiel. Und dieses Spiel läuft schließlich auf einen brillanten Haken hinaus (der nicht verraten werden kann) und mutiert zum Psycho-Drama.

Vom Ende her gesehen, wird die eigentümliche Geschichtslosigkeit der Figuren verständlich. Es geht gar nicht um sie. Es geht um ihre Reaktionen. Möglicherweise geht’s auch nur um einen guten Schluß. Dann wäre der ganze Rest nur ein aufwendiger Vorspann. Irgendwo dazwischen liegt vielleicht die Wahrheit.

Stefan Kanis (KREUZER, Jan 2000)

Schauspiel Leipzig | »Die Schönheitskönigin von Leenane« von Martin McDonagh | Premiere: 10.12.99 | Regie: Matthias Brenner | Mit: Susanne Stein, Marylu Poolman u.a.

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