It sounds good

»Cat said: „one“…«. Surreales Theater nach Leonora Carrington in der Schaubühne im Lindenfels

In Fortsetzung der Performance-Tradition der Schaubühne wird das Publikum in die Unterbühne gebeten. Erste Wahrnehmung: der modrige Geruch feuchter Altbaukeller. Eine leise Stimme. Englisch, später Deutsch, auch Französisch. Groteskes mechanisches Spielzeug, sehenswert. Konversation dreier Taschenlampen – dreisprachig. Ein Huhn wird zubereitet; scharf angebraten, mit reichlich Rotwein abgelöscht. Zäsur per Geruchswechsel. Von einem Dinner sprachen auch die drei Figuren schon. Arrangiert für eine gerade 18 jährige. Belauert von ihren abgelebten Eltern zieht, als noch der Moder den Raum beherrscht, latenter Erotismus durchs Gemäuer. Lulu Faber, David Jeker und Anka Baier artikulieren ihre Böswilligkeiten auf höchstem Niveau – it sounds good. Dann ein Bruch – Szenen/Ebenen/Blickwechsel. Andere Namen – anderes Personal; ein Text, vielleicht von Carrington, verselbständigt sich: Aus einem Buch seitenweise herausgelesen drängen Figuren ins Bild.

Wenig Packendes im Mittelteil. Zum Huhn kommen Karotten, kleingeschnitten; auf die zweite E-Platte ein kleiner Topf mit Kartoffeln. Das Huhn köchelt weiter auf kleiner Flamme. Der Rotweindunst lagert zusehens dichter im Gemäuer. Dramaturgisch folgerichtig, daß endlich die Fenster geöffnet werden. Drei Schlußbemerkungen aus Dutzend möglichen: 1. Anders als bei Buńuel kommt man schließlich doch zum Essen. 2. »Cat said: „one“« ist weit mehr als ein Küchenstück. 3. Fremde Träume kann man deuten, erleben kann man sie nicht.

Stefan Kanis (KREUZER, Nov 1996)

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