Schlagwort-Archive: euro-scene

Theater der Zukunft

:Die 9. »euro-scene« vom 2. bis 7. November in Leipzig:
Nun ist es doch noch mehr Geld geworden, als erwartet. Festivaldirektorin Ann-Elisabeth Wolff lächelt herzlich. Sie ist sich keiner Schuld bewußt. Mit einer Geste und einem Seufzer ordnet sie diese endlosen Kämpfe um die Fördergelder kurzerhand dem notwendigen Alltag zu. Darüber mehr Worte zu verlieren, hieße Aufmerksamkeit von denen abzuziehen, für die sie auf der Welt zu sein scheint: ihre Künstler. Ohne dieses Engagement – das kann als sicher gelten – wäre das Festival im kulturpolitischen Strudel längst untergegangen. Kulturdezernent Giradet attestiert auf der Pressekonferenz im Partnerhotel denn auch “fabelhaften Spürsinn” und “große Kennerschaft”. Er zögert nicht, von einer “stabilen Situation” zu sprechen. Die Stadt bestreitet mit 250000 Mark ein knappes Drittel des Festival-Budgets. Möglich, dass Leipzigs Kulturpolitik die signifikanten Unterschiede zwischen artifiziellen Renommierprojekten und anspruchsvollen kulturellen Mesalliancen (zu denen die »euro scene« vorstößt) bemerkt und zunehmend bedenkt. Weiterlesen

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Dekoration oder Anspruch?

:Sieben Jahre Leipziger »euro-scene«:
Die Messestadt Leipzig zehrt vom Ruhm vergangener Tage: Die Theaterreform der Neuberin – sekundiert vom trockenen Gottsched, die Leipziger Mustermesse – zu Honeckers Zeiten Ost-West-Drehscheibe und Objekt der vielfältigsten ökonomischen Begierden, das Gewandhaus – die Zentrale der musikalischen Hochkultur außerhalb Ostberlins. Und schließlich: der ‘89er Herbst als Hort der friedlichen Revolution. In den Leipziger Montags Demonstrationen schürzt sich denn auch in Leipzig der Knoten wirklichen Ereignens. Nach der Wende versinkt die sächsische Metropole in den Kämpfen und Krämpfen der Existenzsicherung. Es greifen beispielhaft alle Maßnahmen der fiktionalen und spekulativen Wirtschaftspolitik. Leipzig wird zum Banken-Zentrum des Ostens geadelt. Der „Spiegel“ erhebt die mittlere Großstadt in einer Titelgeschichte zur Metropole der Dreißigjährigen. In den Aufbau der Neuen Messe fließen Hunderte Millionen. Allerlei Unternehmensberater erwägen das zukünftige Image der Stadt. Messestadt Leipzig, Kulturstadt Leipzig, Kongreßstadt Leipzig. Spekuklantenstadl. Verwaltung der Stagnation einerseits und hemmungsloser Zweckoptimismus andererseits verdrängen wiederum innovative Impulse. Der Ärger bleibt freilich nicht aus. Der sächsische Rechnungshof weist seinem Gewandhaus unvertretbare Überausgaben nach, die superteure Mustermesse spielt noch lange keine internationale Rolle und auch die Darstellende Kunst erinnert verdammt an Gottsched. Dieser hypertrophierten Durchschnittlichkeit entspricht zu guter letzt auch noch der Mangel an journalistischer Reflexion. BILD und Leipziger Volkszeitung sind die einzigen örtlichen Tageszeitungen, beide aus dem Hause Springer. Weiterlesen

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Festival im Off

:MANöVER und euro-scene im Herbst 1995:
Das Konzept der MANöVER-Festivals scheut Weltläufigkeit um ihrer selbst Willen wie das gebrannte Kind das Feuer. Es begibt sich auf die Suche nach Inszenierungen, die auch und gerade in hoher Künstlichkeit, von der Präsenz des Außerkünstlerischen inspiriert, spiritualisiert, auch vergewaltigt werden. Als Qualitätsmaßstab wird die Bewältigung dieses Widerspruchs in der jeweiligen Inszenierung erkennbar. Damit bezieht das MANöVER in der Diskussion um die Spezifik des Freien Theaters einen streitbaren, aber einen erkennbaren Standpunkt. Das Festival wechselt jährlich zwischen deutschen Off-Theater-Produktionen und einer konzeptuell focusierten Umschau im Ausland. Diese Konturierung ist noch jung, verspricht allerdings fruchtbarer zu werden als der Gemischtwarenladen des großen, ungleichen Leipziger Bruders euro-scene. Das 95er Festival unternahm den Versuch, aus der reichen Szene Ljubljanas, Hauptstadt des als Nationalstaat jungen Sloweniens, einen repräsentativen Querschnitt vorzustellen. Weiterlesen

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