Archiv der Kategorie: Theaterkritik

Belanglos und/oder sexistisch

:Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz: „Die Stadt der Frauen“ von Federico Fellini (Regie Frank Castorf, Ausstattung Bert Neumann):
Das Portal der Volksbühne zeigt die rot be­spannten Wände eines Kinos. Hinter dem sam­tenen Bühnenvorhang müßte die Leinwand lie­gen. Auf der Vorbühne finden sich auch ein paar Sitzreihen, versenkt um einen knappen Meter. Klappsitze. Ein Kino eben. Nur liegen sie quer zu Publikum und Bühne. Wer sich auf diesen Sesseln niederläßt, schaut in die Wand­bespannung. Eine prinzipielle Verkanntung bestimmt von vornherein das Geschehen.

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Zwischen Bühne und Schreibtisch

:Der Gründungsprofessor des Studienganges Dramatrugie an der HfMT Leipzig:
Peter Reichel, Jahrgang ’39, kämpft um einen Berufsstand. Die erste Runde hat er gerade gewonnen: In diesem Monat beginnt an der Hochschule für Musik und Theater die Ausbildung in einer sehr alten Kunst: Dramaturgie. Der einzige Studiengang dieser Art in Deutschland. Was ein Dramaturg denn eigentlich zu tun habe, darüber könnte der versierte Praktiker mehr als tausend Sätze sagen. Ob ein Text auf die Bühne oder ein Szenarium auf die Leinwand kommen sollte, ist zwar eine wichtige aber beileibe nicht die einzige Arbeitsaufgabe. Dramaturgen arbeiten im Verborgenen. Ihr Tun wird zumeist nur bemerkt, wenn es fehlschlägt. Weiterlesen

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Sei einfach!

:Theater „Struktur fokal“ zeigt das Märchenspiel „Garnichtwild“ im Werk II:
Garnichtwild ist eine possierliche Geschichte und in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Da darf man sich erstens über einen Text freuen, der eine simple Geschichte erzählt. Zu simpel um vordergründig pädagogische Ambitionen zu hegen. Mädchen Jule träumt sich auf der Frühlingswiese in ihre blumige Welt, der Novize Arthur betritt das Areal, eine kleine feine Verliebtheit keimt auf, aber Arthur gehört ja ins Kloster. Das stiftet Probleme, die jedoch von Hexe Garnichtwild im Besenumdrehen gelöst werden. Julchens Opa unterfüttert die Geschichte mit ein wenig sozialem Hintergrund, knurrt hier und mäkelt dort, ohne jedoch den lieblichen Lauf der Dinge ernsthaft zu gefährden. Weiterlesen

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Remake einer Erinnerung

:Frank Castorf inszeniert die NIBELUNGEN:
Worms am Rhein. Die große Halle ist eher ein Unterstand. Notlampen, Eisenträger, eifelturmvernietet. Drinnen die Burgunden. Man posiert; will beginnen zu raufen – „S‘ ist heilger Tag” König Gunther hebt beschwichtigend die Hände. Keine Kampfesmätzchen heute unter den Burgunden. Mißmutig trollen sich die Recken wieder auseinander. Langeweile zu Worms. Da kommt Siegfried gerade recht. Er ist ein synthetischer Held, zwiefach, ein Schönling, ein Bübchen: Seine Riesenkräfte, seine Unverletzlichkeit haben sich nochmals abgespalten und materialisiert – in sieben Amazonen, Kolleginnen des Kresnikschen Tanztheaters. Diese wiederum pilgern nach Sigefrieds Tod als ungebundene Energie durch den Abend, variabel und frei adaptierbar. Die Amazonen bilden als sperrigstes Moment wohl die zentrale interpretative Herausforderung der Inszenierung. Weiterlesen

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Dampferaufgang 6.13 Uhr

Neues Tafeltheater von Wolfgang Krause Zwieback und Christian Sade Kein Zweifel, daß es so kommen mußte. Krause Zwieback mag die Professionen in denen es hoch her geht, die Flieger in den Lüften und die Steuermänner auf den Wellenbergen. Und zuviel … Weiterlesen

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Im Jenseits des Theaters

Teatro Mari zeigt „Hopi“ im Werk II Hopi sind Indianer. In diesem schlichten Satz erschöpfen sich meine ethnologischen Kenntnisse über ein Volk, dem Uwe Hilbig, Altvorderer des „Front“-Theaters, ein Stück gewidmet hat. „Hopi“ will nicht auf Aufklärung hinaus, wie ich … Weiterlesen

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Erzählen Versuchen Erleben

:Tom Wolter und die Freien Komödianten:
Es ist wahrlich an der Zeit, an dieser Stelle aufmerksam zu machen auf die „Freien Komödianten“ – wenn es denn dessen noch bedarf. Was sich mit dem „Schuster“, einer Verlustbeschreibung des Übergangs vom Handwerkeln zur Serienproduktion, als Einblick gastspielhalber in die Off-Szene Halles darzubieten schien, war alles andere: war der Auftakt stetiger kultureller Kontakte zwischen Saalestädtchen und Pleißemetropole. Die Dinge haben sich derweil rasant entwickelt: Die Freien Komödianten schicken sich an, alles quantitativ Dagewesene an Premieren pro Spielzeit in den Schatten zustellen. Im Oktober des letzten Jahres trat man mit dem Handwerker-Stück hervor, der erste Donnerstag des Wonnemonats Mai wird uns in der naTo „Die Freude“ bescheren. Dies wäre die fünfte Arbeit. Weiterlesen

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Zwischen Frühstück und Gänsebraten

:Weihnachten taugt im Leipziger Theater für alles. Biblischen Stoff gibt’s streng vom Blatt bis hin zur Performance:
Zweimal im Jahr, das ist offenkundig, kommt das Theater Bür­gerinteressen wirklich nach: Im Sommer dem erotisch aufgelade­nen Unterhaltungsbedürfnis (Schlagwortkette Wein-Weib-Gesang) mit den entsprechenden Freiluftinszenierungen. Vor Weihnachten dann dem nach Läuterung der Gelüste vom Sommer. Die Freitzeit­gesellschaft ist moralischer Zurüstung offen und die braven Mimen suchen – gewissermaßen zwischen Frühstück und Gänsebra­ten – anzudocken an der festlich gestimmten Bürgerseele. Die einzige dem Anlaß angemessene Darbietung jedoch, die saubere Durchführung des Krippenspiels, birgt mehrere Unverträglichkeiten. Weiterlesen

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Jesus is bleeding

:JAUCHZET, FROHLOCKET – ein Tanztheaterabend am Schauspielhaus Leipzig:
Das Publikum nimmt Platz im Hintergrund einer Kirche. Wie es sich für einen feineren Spielraum Leipziger Prägung gehört, wird dieser Ort über ein zentrales Element markiert, das neben der naheliegenden auch assoziativeren Verortung zuläßt. Die Säulen, die in den Schnürboden ragen, zeigen unverputzte Ziegel. Sie mögen neben Kirchenarchitektur auch für Wartesaal und Nachkriegsarchitektur gelten.
Im Parkett ist noch Licht, doch die Bühne belebt sich schon. Musiker trudeln ein zur Dienstleistung. Weihnachtsoratorium – klar doch, wie immer. Unnachahmliches, distinguiertes Begrüßungsgeplänkel. Dann kommt man im Seitenschiff, auch nur ein besserer Graben, zu Ruhe. Der ironische Blick trifft die kirchliche Aufführungspraxis wie die Gettoisierung der Theatermusik gleichermaßen. Das Spiel also hat schon begonnen und beginnt ein zweites Mal: Die Gemeinde versammelt sich. Bürger und Penner. Ausgestellte Eitelkeiten, Tändeleien um den passenden Binder. Irgendwann sitzt der Haufen. Die Christmette hebt an. Weiterlesen

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Theater der Grausamkeit

:Martin Nimz inszeniert Strindbergs „Rausch“ am Schauspiel Chemnitz:
Ein roter Samtvorhang umschließt die geneigte Spielfläche. Schwarz-weiß kariert. Ein Schachbrett. Statt dem Gnom aus Twin Peaks schaut ein weißer Läufer mal herein. Nichts los. Da geht er mal wieder.

Petra Förster spricht – als Bauer? – einen Text über die Schlechtigkeit des Menschen. Im Programmheft heißt sie August. Bei Strindberg war sie vorerst nicht vorgesehen. Abwarten.

Danach im Bistro: Geometrische Formen nehmen zu, was die Kostüme betrifft. Am meisten Geometrie bei Frau Catherine (Oda Pretzschner), sie ist sicher wichtig, ist vielleicht die Mutti. Auf jeden Fall kann man sich bei ihr schön auskotzen. Man tut es halbherzig. Eine wirkliche Riesen-Schnecke regt sich und zieht sich wieder zurück. (Sensibel im Gehäuse: Kai Börner. Im Programmheft und bei Strindberg geführt als der Bruder – wessen will ich mal noch nicht verraten!) Der Dramatiker Maurice, im Gelb/Blau der Liberalen: Johannes Mager, feiert den Triumph seinen Stücks. Ist in Paris gut angekommen. Hundertausend Francs sind ihm sicher. Das ist schon die zweite Kneipenszene. So sind sie, die Künstler. Weiterlesen

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Hase Hase

im Schauspielhaus Chemnitz In Coline Serreaus feinem kleinen Stück kommen die Monologe wie arglistige Wesen über die Menschen. Weder Mutter Hase noch der Papa mögen sie eigentlich, die ewigen Reden. Vor allem solches Geschwafel nicht, das das Handeln ersetzt. Außerdem … Weiterlesen

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Handwerker wider Willen

Hamlet im Schauspielhaus Chemnitz Alles kommt anders, wenn man denkt. Das ist des Hamlets simpelste Wahrheit. Der Glaube, richtige, endgültige Entscheidungen treffen zu können, bleibt Hoffnung und Privileg der Einfältigen. Der Dänenprinz ist aber ein schlauer Bursche. Also tut er … Weiterlesen

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Ein Reigen der Lust

Der Soldat geht zur Hure. Das Stubenmädchen treibts mit dem Soldaten. Der junge Herr verführt das Stubenmädchen. Am Ende landet wieder jemand bei der Hure. Der Reigen der Lust – unser täglich Brot. Weiterlesen

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Theaterkunst? Ein Mißverständnis!

:BLINDE ANGST in der naTo:
Zuallererst räumt die neueste Produktion der MANTELBANDE – „Blinde Angst“ – mit einigen Erwartungen auf, die an sie geknüpft wurden. Allein dafür gebührte ihr Dank. Attestierte man dem bejubelten Vorläufer kurzerhand Begriffe wie Ehrlichkeit und einen schwülen Hauch jugendlicher Emanzipation, streift die Gruppe dies alles nun gründlich ab.

Was eigentlich passiert? Ulrich Thaler gibt einen interstellaren Postflieger dessen Bordcomputer ihm, freilich nicht ohne erheiterndes Geplänkel, den Dienst verweigert. So sieht er sich gezwungen auf einem Planeten notzulanden und daselbst die Ankunft eines Rettungsschiffes abzuwarten. Neben ihm, unserem Piloten, treiben hier vier unfreundliche Etwase ihr Unwesen. Natürlich wollen sie dem Postflieger ans Leben. Aber immer nur dann, wenn er die Angst vor ihnen zuläßt. Mittels Telepathie, so mutmaßt er, spüren sie seinen Gemütszustand auf. Weiterlesen

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Mythos für Arme

:DIE TROERINNEN DES EURIPIDES im Schauspiel Leipzig:
Auf der Bühne die stählerne Silhouette eines Schiffes, davor das besiegte Troja. Der Krieg ist vorüber, aber des Odysseus‘ Irrfahrt hat noch nicht begonnen, ebensowenig wie das Schlachten in Agamemnons Burg. Eine Leerstelle.
Die Troerinnen, die Frauen der Besiegten, sollen von den Siegern, den Griechen, in Besitz genommen und verschleppt werden. Hektors Sohn, ein Säugling, wird getötet. Eine Atempause zwischen den großen Epen des Mythos, ein Stillstand, eine Möglichkeit des Eingedenkens, der Wahl. Ein Stück ohne Handlung? – Sartres Protest wäre sicher. Für ihn handelt der Mensch nicht wo er seinem Charakter oder den Zwängen der Verhältnisse folgt. Er handelt, wo er sich exemplarisch neu entwirft. Wählen zwischen Tod und Existenz. Die Troerinnen. Weiterlesen

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Politisches (Dorf)Theater

„Unser Dorf soll schöner werden“ auf der Probebühne des Chemnitzer Schauspielhauses: Es ist gut möglich, daß Schleiff auf der Probebühne des Schauspielhauses das erste Mal seit dem Engagement in Chemnitz zeigen durfte, wo sein theatralischer Gott wohnt. Bis dato angehalten, den Ausflüssen kurzatmiger Regieintentionen, groben Gesten und skurrilen Typen, ein wenig Stil einzuflößen, darf er nun endlich einmal richtig. Darf dem dankbaren Publikum zeigen, wo der mythische Urgrund des Schauspiels brodelt. In der Kunst der perfekten Nachahmung, des totalen Als-ob. Und es ist eine Freude, ihm zuzuschauen. Weiterlesen

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Stirn, vergiß nun alles Denken

:André Hellers „Sein und Schein“ am Wiener Burgtheater uraufgeführt:
Der Meister tritt vor den Vorhang der Burg. Nein, niemand sei erkrankt. Heller erzählt von einem Theatererlebnis in Indien. Dort habe er eine „magische Verbindung“ zwischen Akteuren und Zuschauern erlebt. Ähnliches wünsche er sich an diesem Ort. Schwer genug sei es gerade hier, meint er.

Und wie um seine Worte zu bestätigen, teilt ein riesiger Kaspar den Vorhang und nimmt das Logenpublikum an die Hand wie die Zeltgäste beim Jahrmarktsspektakel. Erst als die Zuschauer laut genug ihre Anwesenheit herausschreien, öffnet sich der Vorhang über einem bizarren Bilderbogen. Weiterlesen

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Brecht auf dem Teller

:DIE RUNDKÖPFE UND DIE SPITZKÖPFE erlebten ihre österreichische Erstaufführung:
Brecht ist auf den Bühnen Österreichs nicht heimischer als in Deutschland. Seine Stücke nicht, vielleicht aber Spuren sei­ner Methode – des ‚eingreifenden Theaters‘. Im Wiener „Macbeth“ ist ebenso Platz für aktuellpolitische Repliken wie in Hellers neuestem Theaterzauber „Sein und Schein“. Leben und Kunst stehen ein wenig näher beisammen. Das Publikum gou­tiert es allemal. Beliebtestes Objekt von Spottversen und Couplets ist derzeit Herr Haider. Haider? – ist Frontmann ei­ner 15-Prozent-Partei, die endlich die Verursacher der wirt­schaftlichen Stagnation Österreichs ausgemacht hat: die Aus­länder. Und eben diesen Gedanken trachtet Haider per Volksbe­gehren zu einem völkischen zu machen. Darüber spricht in Österreich alles. So auch die Aufführung der Brecht-Parabel am Wiener Akademietheater. Handelt sie doch vom ökonomischen Hintergrund rassistischer Ausgrenzungen. Wen wundert’s da, daß Herr Haider einsam das Programmheft ziert. Weiterlesen

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Hades auf Probe

Frank Castorf inszenierte Euripides „Alkestis“ für Wien und Berlin Eigentlich habe er „Tosca“ machen wollen, die Wiener hätten sich aber den Euripides gewünscht, meinte Frank Castorf vorab. Und nun haben sie ihn, euripideischer als gewünscht, mag man hinzufügen. Admet, Thessaliens … Weiterlesen

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Frank & Stein

Stellen Sie sich doch einmal vor, „Frankenstein“ sei ein lustiger Film! Unmöglich? Dann sollten Sie ihrer Phantasie auf die Sprünge helfen lassen. Die zwei taufrischen Neuzugänge des Chemnitzer Schauspiels Marc Hetterle und Ralph Sählbrandt geben sich für Sie wirklich alle Mühe. Weiterlesen

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Nur ein Junge von nebenan

:ROBERTO ZUCCO von Bernard-Marie Koltes am Staatsschauspiel Dresden:
Roberto Zucco ist ein Mörder. Er tötet vier Menschen, zuerst seine Eltern. Zucco ist weder wahnsinnig noch tötet er aus Langeweile. Zucco ist anders – er ist ein Held. Die Gesetze einer scheindemokratischen Ethik überschreitet er wie zufällig; er bemerkt sie nicht einmal. Wie aus einer tiefen, längst verschüttet geglaubten Erdschicht aufsteigend, verströmt Zucco einen dunklen Lebensstrom, eine archaische Unbedarftheit. Erschreckend und schön. Weiterlesen

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Erlösende Verwirrung

:Leander haußmann inszeniert Shakespeares „Sommernachtstraum“ am DNT Weimar:
… So hebt sein »Sommernachtstraum« mit einem quirligen, eitlen Schwarm an, der nie zur Ruhe kommt, keinen Satz wirklich zu Ende denkt und spricht: der Athener Hof des Theseus. Ohne Unterlass wird hier wahre Liebe beschworen, aber nicht ausgeführt. Nie gelingt den Paaren eine Umarmung, ein tatsächliches Ausleben ihrer Gefühle. Vom Fieber des erotischen Traumes schon ergriffen, taumeln, springen, schwanken sie durch ihr Leben. Die Grundsätze, die sie doch auf der Tagseite ihrer Existenz mit Ehr‘ und Sitte verfechten und einzulösen trachten, sind schon torpediert von der Macht des Unterleibes. Erlösend folgerichtig der Moment, da sich der Vorhang über der Hauptbühne hebt: Es eröffnet sich ein Kleinod der Bühnenbildnerkunst – Franz Havemann baut einen Märchen-Wald mit Vögeln, mechanischen Echsen, Wasser und Uralt-Eichen. In dieses Geisterparadies dringen die Athener auf der Flucht vorm Liebesverbot des Hofes. Weiterlesen

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Die Welt, eine Imitation

:Peter Turrinis „Alpenglühen“ am Wiener Burgtheater uraufgeführt:
Ein Sonnenaufgang in den Alpen. Schön wie im Märchen. Durch eine Glasfront fällt der rote Widerschein ins Haus. Jemand rappelt sich hoch. Ein alter Mann, ein Blinder. „Still und finster, wie immer“ – seit vierzig Jahren quittiert er das verschwenderische Naturschauspiel mit diesem Satz. Doch heute ist alles anders. Der Blindenverband hat ihm seine einzige Bitte in all den Jahren prompt erfüllt – eine Frau. Zwar mochte sich der Alte seine Begleiterin feinsinniger gewünscht haben, mit Neigung zur klassischen Literatur, doch dem Ver­band ist das Verlangen klar. Er schickt eine Hure. Weiterlesen

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Symbole, Gags, Banalitäten

:Büchners „Woyzeck“ – letzte Premiere vor der Spielzeitpause:
Einen Fels noch, zum Ende der Spielzeit, hat sich das Städtische Schauspiel in die zerklüftete Küstenlinie seines Spielplanes gerückt. Da liegt er nun – kantig, verschroben, ein Bote aus der Urzeit. Das Begleitheft zum Abend weist auf den Umfang des Brockens noch hin: Woyzeck sei ein altes, dummes Märchen, ein soziales Rührstück, typischer Kassenschlager einer Bühne, die sich als moralische Anstalt verstünde. Hier wird offensichtlich signalisiert: So nicht, nicht in Chemnitz. Weiterlesen

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Erschreckter Blick in eine andere Welt

:Christian Martins „Bunker“ in Leipzig uraufgeführt:
Ein Bunker. Synonym für Überlebensraum auf Zeit, für ein vom Tode geborgtes Noch-Leben. Christian Martin wählt diesen Raum als Spielort seines Textes und verschmilzt gerade erst Geschichte gewordene Realitäten zu einer Draufsicht auf die Chancen einer deutschen, einer eu­ropäischen Zivilisation der Zukunft. Staatsicherheit und Rechtsradikalismus – so die Grundkonstruktion des Spiels – zwei Seiten derselben Medaille. Aus der Asche des einen Repressionssystems wächst das nächste schon hervor. Weiterlesen

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Der Drache in uns allen?

:Jewgeni Schwarz‘ Der Drache im städtischen Schauspiel:
Hartwig Albiros Theaterarbeit stellt sich bewusst in eine Tradi­tion, der es um den Gegenwartsbezug von Kunst zu tun ist. Die 1943 entstandene Märchenkomödie verhandelt – freilich im märchen­haften Sujet – Fragen von Macht und Korruption, von Deformation und dem Sich-Einrichten in Machtstrukturen. Die Motive zur Wahl des Stoffes für die Bearbeitung zur Bühnenfassung liegen auf der Hand. Weiterlesen

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